Öffentlicher Dienst: Katharina Duve

Ich hasse Dur!

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Dienstag, 12. Dezember, Hamburg

Um 17 Uhr mit dem Bus zur Holstenstraße und dann mit der S-Bahn nach Harburg in die Sammlung Falckenberg zu Katharina Duves Führung durch die Cindy Sherman Ausstellung unter dem Titel »Tarnung Parole Aneignung – Kleidung als politische Performance«. Ich komme um Viertel vor sechs an, treffe Anna Lena, ein paar Minuten später stößt auch Felix dazu.

Um Viertel nach sechs beginnt Kati mit der Führung – zu ihren hochhackigen Lederschuhen mit Schlangenmuster trägt sie eine helle Hose und ein weißes Shirt, die sie beide von oben bis unten und kreuz und quer mit ihren Notizen und Referenzbildern bedruckt, beschrieben und beklebt hat. Kati trägt ihren Spickzettel somit am Körper. Obwohl die Führung auf 20 Personen begrenzt ist, nehmen am Ende 30 Personen am Rundgang teil. Katharina führt uns zu ausgewählten Bildern und spricht auf kluge und persönliche Weise über Shermans Werke, die Hintergründe ihrer modischen Arbeiten und über ihren enormen Einfluss auf die ihr nachfolgenden Künstler*innen, zu denen sich auch Katharina zählt. Die Führung ist recht unakademisch, dafür lebendig, witzig und leicht. Und obwohl Kati uns am Anfang aufgefordert hat, jederzeit Fragen zu stellen und sie zu unterbrechen, muss sie doch fast die ganze Zeit reden. Es macht aber auch viel Spaß, ihr zuzuhören – und natürlich geht es ja auch, wie Kati anfangs scherzhaft sagte, in erster Linie um sie.

Nach über einer Stunde ist die Führung beendet und wir kommen in einen Raum mit Tischen, Stühlen, Wein, Wasser und Snacks, setzen uns zusammen und Kati macht noch einen kleinen Input mit ihren eigenen Werken und zeigt Filmausschnitte, Instagramvideos und Fotos. Es ist wie eine zweite Vorlesung und ich bewundere Kati für ihre Ausdauer und ihren Enthusiasmus. Sie schont weder sich noch uns. Danach sitze ich mit Felix zusammen. Wir trinken Wein und führen heitere Gespräche, über Madeira, wo Felix kürzlich auf einem Festival war, über Filmmusiken, die Youtube-Audio-Library, den großartigen Henry Mancini, den genialen Ennio Morricone und den verabscheuten Hans Zimmer. Schließlich beugt Felix sich vor, blickt mich an und erklärt mit Verzweiflung in der Stimme: »Ich hasse Dur!«

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81

rotetasche

Donnerstag, 10. September 2020, Wentorf

Filmdreh mit Johanna Sebauer und meiner schönen roten Tasche für ein Projekt von Katharina Duve mit Kameramann Josef im Garten des Woods Art Institute. Im Wald hatten wir vorher zufällig Rik Reinking getroffen, der ebenfalls von Katharina – schwuppdiwupp – umhüllt und fotografiert wurde. Abends nach dem Drehtag habe ich Lust auf ein Bier, laufe nach Reinbek und gehe ins Lütt Hus. Darin eine junge Barfrau und vier ältere männliche Knobelspieler. Erster Song: »Sun of Jamaica« der Goombay Dance Band. Die vier Männer knobeln still vor sich hin, in der Sofaecke links vom Tresen sitzt eine ältere rauchende Dame. Ich postiere mich an der offenen Tür am Tresen und bestelle ein Pils. Die Dame spricht mich an, ich solle ihr Alter raten. Keine Ahnung. 81. Vier Monate habe sie nicht geraucht und ihr Schätzchen sei sehr stolz auf sie. Es ist einer der Knobelspieler, sie sei eine Kölsche. Ihr Vater sei der erste gewesen, der in Köln Bohnenkaffee ausgeschenkt habe. Er habe ein Café mit vielen Angestellten gehabt und sei ein gemachter Mann gewesen. In Soest sei eine Straße nach ihrem Bruder benannt worden, Wilhelm Trockel in Soest. Ich solle es im Internet nachschauen. Ich schaue nach. In Soest gibt es keine Wilhelm-Trockel-Straße, aber immerhin einen Wilhelm-Trockel-Weg. 1981 habe sie in der zweitgrößten Rollerbahn der Welt gearbeitet, im Indianapolis in Lohbrügge. Sie fragt, was mein Beruf sei. Schriftsteller, antworte ich. Sie sagt, dass sie auch Schriftstellerin gewesen sei, in Köln habe sie für den Feuerreiter geschrieben. Jetzt schreibe sie nicht mehr, schließlich sei sie 81. Nachdem ich das Bier ausgetrunken habe, zahle ich, gehe zum Bahnhof und esse einen Dürum Döner.

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