WRONG

Freitag, 17. Mai 2024, Hamburg

Um 3 Uhr 30 wach geworden und bestimmt anderthalb Stunden lang wachgelegen und nachgedacht. Um 6 Uhr 30 vom Wecker geweckt. Kaffee und lesen im Bett, danach Morgengymnastik und Haferbreifrühstück. Es klingelt an der Tür. Mein Nachbar steht im Flur und sagt, dass er ein Paket für mich angenommen habe. Voller Spannung trage ich das Paket in die Küche und öffne es. The Carl Barks Library of Walt Disney’s Donald Duck Schuber VIII. Die drei Bände, die ich günstig auf ebay erworben habe, sind in einem Superzustand. Riesenfreude!

Beantwortung der Fragen für das Interview für die Comicausstellung im Museum für Westfälische Literatur auf Haus Nottbeck. Um kurz nach halb zwölf verlasse ich die Wohnung und esse einen Dürum Döner. Danach Telefonat mit meiner Tante, die mich auf dem Handy angerufen hat und mir schöne Feiertage wünscht. Kaum bin ich wieder zuhause, erhalte ich eine E-Mail: Das neue Goetz-Buch da! Ab zur Buchhandlung Lüders. Dort kaufe ich nicht nur »wrong«, sondern für elf Euro antiquarisch auch Walter Kempowskis Haftbericht »Im Block«. 

Um 13 Uhr 20 mit »wrong« ins Bett. Ich bin fasziniert von dem fast schon kitschigen Familienfoto hinten im Buch: Rainald Goetz und seine Frau, umringt von den drei Kindern in idyllischer Eintracht auf dem Sofa. Der Dichterpunk als Familienmensch und Papa.

Lesen und Schlaf. Hinterher Kaffee und posten des Fotos und des Covers auf meinem Instagramkanal: »☑️ #wrong #RainaldGoetz #Schlucht«

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David Wagner kommentiert das Bild auf meinem Kanal: »so ein blöder Kitsch.«

Thorsten Krämer: »das foto ist nicht echt, oder?«

Jonas Rump: »Ich will den Raver Goetz zurück«

agumz: »er sieht alt, senil und glücklich aus. wunderbar.«

Thorsten Krämer teilt das Bild in seiner Instagram-Story und schreibt dazu: »Was Ihnen an Rainald Goetz schon immer suspekt vorkam – hier jetzt in einem Bild zusammengefasst«

Nachmittags weiter am Gian-Text. Abends fernsehen.

Samstag, 18. Mai 2024, Hamburg

Bis 7 Uhr 20 geschlafen. Kaffee und lesen im Bett. buchmarkt.de schreibt in der Vorgeblättert-Rubrik hinsichtlich der Besprechung in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über die beiden neuen Bücher von Rainald Goetz: »Zwei neue Bücher des Autors der Gegenwärtigkeit versammeln Texte und Stücke aus den vergangenen Jahren. Und machen in ihrer Gestrigkeit ratlos.«

Gewiss, das Goetz-Buch ist gestrig und das Familienfoto kitschig – dennoch mag ich »wrong« und finde darin auf Anhieb viele kluge Gedanken. Etwa Goetz‘ Unterteilung in Schriftsteller*innen, deren Schreiben aus dem Erzählen, und solche, deren Schreiben aus der Sprache kommt. Das finde ich sehr plausibel. Goetz selbst sieht sich als Sprachautor, was zur Folge habe, dass sein Schreiben sehr dem Deutschen verhaftet sei. Das macht es schwer, seine Literatur zu übersetzen, gleichzeitig prädestiniert es ihn für die Bühne. Ich wiederum glaube für mich, dass ich, obwohl ich viel Wert auf Stil lege, eher ein Autor bin, der vom Erzählen kommt. Meine Bücher und Texte leben von der Geschichte, ließen sich gewiss auch gut verfilmen oder übersetzen, aber wahrscheinlich bin ich deshalb auch kein Autor für die Bühne und von Theaterstücken geworden.

Gut zu wissen.

Morgengymnastik und Frühstück.

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Ich hasse Dur!

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Dienstag, 12. Dezember, Hamburg

Um 17 Uhr mit dem Bus zur Holstenstraße und dann mit der S-Bahn nach Harburg in die Sammlung Falckenberg zu Katharina Duves Führung durch die Cindy Sherman Ausstellung unter dem Titel »Tarnung Parole Aneignung – Kleidung als politische Performance«. Ich komme um Viertel vor sechs an, treffe Anna Lena, ein paar Minuten später stößt auch Felix dazu.

Um Viertel nach sechs beginnt Kati mit der Führung – zu ihren hochhackigen Lederschuhen mit Schlangenmuster trägt sie eine helle Hose und ein weißes Shirt, die sie beide von oben bis unten und kreuz und quer mit ihren Notizen und Referenzbildern bedruckt, beschrieben und beklebt hat. Kati trägt ihren Spickzettel somit am Körper. Obwohl die Führung auf 20 Personen begrenzt ist, nehmen am Ende 30 Personen am Rundgang teil. Katharina führt uns zu ausgewählten Bildern und spricht auf kluge und persönliche Weise über Shermans Werke, die Hintergründe ihrer modischen Arbeiten und über ihren enormen Einfluss auf die ihr nachfolgenden Künstler*innen, zu denen sich auch Katharina zählt. Die Führung ist recht unakademisch, dafür lebendig, witzig und leicht. Und obwohl Kati uns am Anfang aufgefordert hat, jederzeit Fragen zu stellen und sie zu unterbrechen, muss sie doch fast die ganze Zeit reden. Es macht aber auch viel Spaß, ihr zuzuhören – und natürlich geht es ja auch, wie Kati anfangs scherzhaft sagte, in erster Linie um sie.

Nach über einer Stunde ist die Führung beendet und wir kommen in einen Raum mit Tischen, Stühlen, Wein, Wasser und Snacks, setzen uns zusammen und Kati macht noch einen kleinen Input mit ihren eigenen Werken und zeigt Filmausschnitte, Instagramvideos und Fotos. Es ist wie eine zweite Vorlesung und ich bewundere Kati für ihre Ausdauer und ihren Enthusiasmus. Sie schont weder sich noch uns. Danach sitze ich mit Felix zusammen. Wir trinken Wein und führen heitere Gespräche, über Madeira, wo Felix kürzlich auf einem Festival war, über Filmmusiken, die Youtube-Audio-Library, den großartigen Henry Mancini, den genialen Ennio Morricone und den verabscheuten Hans Zimmer. Schließlich beugt Felix sich vor, blickt mich an und erklärt mit Verzweiflung in der Stimme: »Ich hasse Dur!«

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Zwischenstopp

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Hallo Dortmund! Ich freue mich, nächsten Donnerstag (29.2.2024) in der Reihe ZWISCHENSTOPP Gast zu sein und zum ersten Mal meinen noch in Arbeit befindlichen Roman vorzustellen. Der Abend wird veranstaltet vom Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt und moderiert von deren Direktorin Iuditha Balint. Los geht es um 19 Uhr im Rekorder II (Scharnhorststraße 68, 44147 Dortmund), der Eintritt ist frei.

Advice to the young: Wole Soyinka

»the advice which I would have for young writers coming is simply prepare to collect your rejection slips. put those slips in your cupboard, in your drawer, put the slips there and continue writing. other you move away from what you wrote originally. you can go back to it, read it, go for a walk, go for a beer, do something different, but come back and start writing. get another rejection slip, open that drawer, shove it in there. it’s part of your mementos. it’s souvenirs, but ultimately you’ll find, send your material, not just to publishers, but to literary journals, to regular journals, which have however literary pages.«

»one thing which I would advise you not to do is, especially if you have money or your parents have money: self-publishing is a last resort. you know is a last resort. try and get other people to assess you, not you assess yourself.«

Clue #2

Dies ist kein Wasser

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Obwohl ich Giancarlo DiTrapano nicht persönlich kennengelernt habe, hat er mich als Schriftsteller und SUKULTUR -Verleger enorm beeinflusst. Heute erschien in der Samstags-FAZ mein Porträt von ihm. In drei Tagen, am 30 Januar, wäre er 50 Jahre alt geworden. 

Knotenpunkte

In »Selfies ohne Selbst« habe ich geschrieben, dass ich kaum Besprechungen und Rezensionen meiner Werke lese, weil sie bei mir selten zu einem Erkenntnisgewinn führen, sondern mich in erster Linie verwirren. Anders verhält es sich mit literaturwissenschaftlichen Texten zu meinen Werken. Mit großem Gewinn habe ich kürzlich Henrike Schmidts Studie »Anthologiespiele. Den Kanon erfinden« gelesen, in der sie auch auf »Unsere Popmoderne« eingeht, und den Band »Ruhrgebietsliteratur seit 1960. Eine Geschichte nach Knotenpunkten« mit einem Beitrag über meinen Roman »Das kaputte Knie Gottes«. Erfahren habe ich dabei, dass ich zum einen ein Verfasser von Diskursromanen bin und zum anderen ein »Literaturprovokateur«.

Aus der Kindheit Jesu

Aus der Kindheit Jesu

Einmal ergab es sich, dass der Sohn eines Schriftgelehrten gemeinsam mit Jesus spielte. Er ergriff einen Zweig und leitete das Wasser aus einem kleinen Teich ab, den Jesus mit Bedacht angelegt hatte. Als Jesus dies bemerkte, wurde er zornig und tadelte ihn lautstark: „Du unvernünftiges Geschöpf, was haben der Teich und das Wasser dir getan? Du sollst augenblicklich zu einem verdorrten Baum werden, ohne Blätter, ohne Wurzeln, ohne Früchte!“ Kaum hatte Jesus dies ausgesprochen, welkte der Knabe gänzlich dahin. Daraufhin ging Jesus zurück in sein Heim.

Es geschah, dass Jesus abermals durch das Dorf wanderte, als ein Knabe heranlief und ihn an der Schulter stieß. Jesus geriet in Zorn und verkündete: „Du sollst deinen Weg nicht weitergehen!“ Unverzüglich stürzte der Knabe zu Boden und verschied.

Nachdem der Knabe gestorben war, begaben sich die Eltern des Verstorbenen zu Joseph, machten ihm Vorwürfe und sagten: „Mit einem solchen Kind kannst du nicht in unserem Dorf verweilen. Lehre ihn stattdessen, zu segnen statt zu verfluchen, denn er tötet unsere Kinder!“ Daraufhin rief Joseph seinen Sohn zu sich, schalt ihn streng und wies ihn zurecht: „Warum handelst du auf diese Weise? Die Menschen müssen leiden, und dann werden sie uns hassen und verfolgen.“ Jesus antwortete: „Ich erkenne, dass dies nicht deine Worte sind. Dennoch werde ich lieber schweigen, da du es bist. Aber die Menschen sollen nicht ihrer gerechten Strafe entgehen!“ Kaum hatte er das ausgesprochen, erblindeten die Menschen, die ihn beschuldigt hatten.

Der Lehrer erklärte Jesus mit Nachdruck jeden Buchstaben von Alpha bis Omega, einen nach dem anderen. Da blickte Jesus ihn an und sagte: „Wenn du nicht das innere Wesen des Alpha kennst, wie willst du dann anderen das Beta lehren? Du bist ein Prahler! Wenn du wirklich Kenntnis hast, lehre zuerst das Alpha, und dann werden wir dir auch alles über das Beta glauben.“

Aus dem Kindheitsevangelium von Thomas, vermutlich entstanden am Ende des zweiten Jahrhunderts. Nach: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, übersetzt und kommentiert von Klaus Berger und Christiane Nord, Insel Verlag 1999.

Der Walter-Gödden-Platz in meinem Herzen

Der November hat zwei Neuerscheinungen mit gedruckten Texten von mir gebracht. Beide Male sind es »Neue Geschichten von Smartphone und Toaster«. In der 85. Ausgaben von »Am Erker – Zeitschrift für Literatur« wurde nicht nur Kurzprosa von u.a. Tanja Dückers, Herbert Hindringer, Florian Neuner, Markus Orths, Gisela Trahms veröffentlicht, sondern auch meine Geschichte »Der Steuertrick«, die ich mit Hilfe von KI geschrieben und illustriert habe. Und für die Festschrift »Wer ist Walter« für Prof. Dr. Walter Gödden, der in diesem Herbst nach 25 Jahren die Literaturkommission für Westfalen in Münster verlässt, haben Chat-GPT und ich nicht nur die Toaster-Smartphone-Geschichte »Spaß an der Arbeit« beigesteuert, sondern auch den Text »Der Walter-Gödden-Platz in meinem Herzen«. Der Band ist in streng limitierter Auflage (1!) im Aisthesis Verlag erschienen und enthält auf 136 Seiten Texte von u.a. Jörg Albrecht, Iuditha Balint, Moritz Baßler, Dirk Bogdanksi, Norbert Otto Eke, Joachim Feldmann, Gerhard Henschel, Uwe-K. Ketelsen, Thomas Krüger, Arnold Maxwill, Hendrik Otremba, Frank Spilker, Steffen Stadthaus, Enno Stahl, Ralf Thenior, Christoph Wenzel, Hans Zippert.

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