»In der Bundesrepublik gibt es einen bedeutenden Arbeitsmarkt für Schriftsteller, der sie von der literaturproduzierenden Ebene absaugt und sie bei ökonomischer Absicherung auf der literaturvermittelnden etabliert.« (Robert Menasse, Überbau und Underground)
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— alle3 (@SuKuLTuR) 10. März 2014
»›Literat‹ war eines der schärfsten Urteile, die Max Weber über Personen fällen konnte, die sich urteilsfreudig in öffentliche Angelegenheiten mischten, ohne sich im Einzelnen über die Gegenstände ihrer Urteile sachkundig gemacht zu haben.« (Jürgen Kaube, Max Weber)
»Ich glaube, viele Talente haben nach dem ersten Buch nichts mehr zustande gebracht, weil sie durch die Vielzahl der Rezensentenmeinungen verunsichert wurden. […] Ich kann inzwischen zu jedem Roman, ja zu jeder veröffentlichten Erzählung, mindestens zwei Rezensionen vorweisen, die davon entweder als von einem Geniestreich oder einem Scheißdreck sprechen. Ist dieser Punkt erreicht, relativiert sich alles so weit, daß es wirkungslos bleibt.« (Helmut Krausser, Juni)
»Sie behandeln mich, als wäre ich Agamemnon.« (Robert Schindel, Kassandra)
»Mein Entschluß, mit einem Fahrrad unseren geliebten, alten Erdball zu umrunden, kam sehr plötzlich.« (Heinz Helfgen, Ich radle um die Welt)
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Diese Geschichte ist kompliziert. Sie handelt von dem Quellort einer neuen Avantgarde, die sich hier regelmäßig versammelt, im Berliner Kaffee Burger, wobei man das „Kaffee“ nicht französisch schreibt, sondern wie das deutsche Wort. Ein schwer ostig inszeniertes Lokal in der ehemaligen Wilhelm-Pieck-Straße, halbdunkel-gemütlich, ornamentierte Tapeten, unbequeme Stühle.
Radio Hochsee heißt beispielsweise eine Veranstaltung, die hier regelmäßig stattfindet. Oder eben Begeisterungsshow, von der jetzt erzählt wird. An jedem letzten Montag des Monats rollt sie ab, und man könnte sie als eine Art performatives Feuilleton charakterisieren, wenn das viel sagen würde.
Aber die Geschichte ist eben kompliziert. Ein Internet-Magazin namens satt Punkt org veranstaltet die monatliche Begeisterungsshow und ist gleichzeitig mit einem Kleinstverlag namens SuKuLTuR vernetzt, der gelbe Lesehefte – wie von Reclam – publiziert. Wer drei Euro Eintritt bezahlt, bekommt das neueste Exemplar. Gestern war es Moldawien von Timo Berger, eine deutsch-lateinamerikanische Liebesfarce in 17 Druckseiten, mit zwei schönen Zeichnungen von Ana Albero. Außerdem erhält der Besucher der Begeisterungsshow ein Los; denn es findet dabei eine Tombola statt. Bücher waren diesmal die Preise, das Juniheft der Zeitschrift Merkur, Musik-CDs und außerdem – für Leute, die weder lesen noch Musik hören – ein Tischstaubsauger, ein Laserpointer und eine Schachtel mit Messerbänkchen.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: dies ist nicht Kabarett mit Publikumsbeteiligung (alle Gewinner wählten übrigens den Lese- und Hörstoff). Der Gestus, den die Moderatoren kultivieren – Marc Degens und Frank Maleu, auf der Bühne an den Laptops zu sehen ist außerdem Torsten Franz, der das Bildprogramm, auf die Stirnseite projiziert, steuert – , der Gestus der Begeisterungsshow ist der einer kunstvollen Kindlichkeit, der Begeisterung eben, wie sie auch Harald Schmidt in seiner Fernsehshow vorzuführen liebte. Was Degens und Maleu und die Ihren präsentierten, begleiteten sie immer wieder mit der Formel „und das hat mich begeistert“. Kulturkonsum unter Hochrufen, sozusagen, als ästhetische Veranstaltung vor einem Publikum, das, zwischendurch Bier und andere Getränke an der Theke holend, auch leise plaudernd, so etwas zu goutieren versteht.
Was begeisterte aber? Homers Ilias beispielsweise, in der Übersetzung von Wolfgang Schadewaldt, gelesen von Rolf Boysen: Schauer laufen ihm über den Rücken, gestand Tobias Lehmkuhl und kam artig auf die abendländische Literatur zu sprechen, die von Homer ihren Ausgang nehme. Dazu gab es ein Bild des schönen Brad Pitt, der Achill in Wolfgang Petersens Troja-Film, zu bewundern. Und natürlich kein kritisches Wort über diesen Film, sondern nur Begeisterung.
Sie entfachte auch die Musik von Felix Kubin und von den Boxhamsters aus Gießen, des Trios Der Plan, das sich eben neu formiert hat und glorreich in die Neue Deutsche Welle der Achtziger zurückführt. Marc Degens befragte den maulfaulen Moritz Reichelt, dessen von Südseekunst inspirierte Malerei unterdessen als Projektion zu sehen war. Ja, alles dicht vernetzt eben: Reichelt ist auch Maler (er gehörte seinerzeit locker zu den Jungen Deutschen Wilden), und was er über Der Plan erzählte, führte in die verwickelten Genealogien, die solche Musiker verbinden und von ihren Fans wie kostbares Bildungswissen gehortet werden. Vernetzung eben, die, neben der Begeisterung – wenn man neuen Managementlehren folgt – , einen modernen Betrieb charakterisieren (den alten Betrieb charakterisierten Hierarchie und Lähmung). Auch in dieser Hinsicht ist das Kaffee Burger also auf der Höhe der Zeit.
Sodann begeisterten gestern abend ein palästinensischer Experimentalfilm und die Comics von James Kochalka – aber dies hier ist ohnedies nur eine Auswahl. Wer im Netz auf satt Punkt org geht, den überschütten Informationen; und das Kaffee Burger findet sich in der Torstraße 60; durch Goldfarbe gehöht glänzt der Name in den Fenstergittern.
(Gesendet im Deutschlandfunk, Kultur heute, 1. Juni 2004)